Ecuador im Ausnahmezustand - und wir mittendrin!

04.-13.10.2019

Der Tag beginnt ruhig, unsere Muskeln und Gelenke konnten sich von der anstrengenden Wanderung um den Quilotoa erholen.

 

Wir wundern uns ein wenig, dass alle Kontroll-Posten heute unbemannt sind - und das an einem Freitag. Die Leute sitzen in ihren besten Kleidern am Strassenrand und warten…..auf was? Ist heute vielleicht ein arbeitsfreier Feiertag ……?!

 

Nach 80km stoppt uns ein Einheimischer und erklärt, dass sich das ganze Land wegen der Verdoppelung der Treibstoffpreise - 1 Liter Diesel kostet derzeit 20 Rappen!!! - im Streik befindet und alle Strassen gesperrt sind. Er aber kennt einen Schleichweg und wird uns in die nächste Stadt führen.

Auf holprigen Acker- und Waldwegen fahren wir durchs Hinterland, bis nach 10km eine Wegsperre mit umgehackten Bäumen ein Weiterkommen verunmöglicht.

  

Ein rasch herbeigeeilter Bauer will uns für 10 US$ um das Hindernis herumführen - nicht mit uns. Wir fahren zurück auf die Hauptstrasse.

Doch weit kommen wir nicht. Im nächsten Ort ist die Strasse mit brennenden Autoreifen gesperrt - ein Durchkommen unmöglich. Das Dorf hüllt sich in schwarzen beissenden Rauch.

Die Emotionen gehen hoch, die alkoholisierte Menge wird von Rednern angefeuert. Frauen, Männer, Jugendliche - alle schreien, diskutieren durcheinander und erheben die Macheten und Stecheisen gegen den Himmel. Verzweifelte Autofahrer versuchen die Anwohner zur Durchfahrt zu überreden - mit dem Resultat, dass manchen die Reifen zerstochen werden.

 

Auch untereinander kommt es zu heftigen Streits, was bei uns etwas Unsicherheit hervorruft. Bis tief in die Nacht hinein werden Autoreifen zum Verbrennen und Warmhalten der Streickwächter herbeigeschleppt. 

Wie lange dieser Zustand anhalten wird - keiner weiss es!

  

Also parkieren wir unseren Camper auf einer Wiese neben der Strasse - wir sind die einzigen Touristen - und beobachten das wilde Durcheinander aus sicher-erscheinender Distanz.

Drei Tage hüten wir nun schon unseren Camper. Wir beobachten, wie Jugendliche von Autos und Motos Benzin abzwacken und alles mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest ist.

 

Heute Montagmorgen weckt uns lautes Geschrei und Durchsagen im Dorf-Lautsprecher.

Eine grosse Menschenmenge mit Stöcken und Eisenstangen bewaffnet hat sich zum Marsch nach Quito versammelt.

Da wir selbständig nie und nimmer die vielen Strassensperren unbeschadet durchfahren könnten, fragen wir den Gemeindepräsidenten, ob wir uns dem Konvoi bis zum Camping anschliessen dürfen. Kein Problem - und so werden wir als Ambulanz (Schweizer Kreuz !) in die Fahrzeug-Schlange eingereiht.

 

Die Streik-Leitung des Dorfes fährt mit uns mit. Wir müssen zahlreiche Strassensperren umfahren.

In jedem Dorf gesellen sich neue Menschenmengen auf Lastwagen zum Konvoi. Am Strassenrand schreit die Menge und immer wieder muss erklärt werden, dass wir dazu gehören und unsere Reifen kein Ziel der zugespitzten Armierungseisen sein dürfen. Trotzdem, ein mulmiges Gefühl bleibt.

 

Irgendwann zweigen wir ab und suchen so schnell wie möglich den Schutz des Schweizer Hotel-Campings Cuello de Luna.   

Wir sind die einzigen Gäste - es ist ruhig und wir sind durch einen Wald von der vor Kurzem erstellten 6-spurigen Panamericana getrennt. Nur ab und zu verirren sich die Schreie der Demonstranten bis zu uns rüber.

Adrian - der Sohn des Hotelbesitzers - rät uns, die Anlage bis auf weiteres nicht zu verlassen.

 

Sonntag, 13.10.2019

Wir sind nun schon eine Woche im Hotel-Campings Cuello de Luna. Vor 10 Tagen hat alles begonnen und es ist noch keine Veränderung der Situation in Sicht. Es gab bis jetzt schon sieben Tote und zahlreiche Gebäude in der Altstadt von Quito (Weltkulturerbe) wurden schwer beschädigt. Die Strassen sind mit Blockaden versperrt und in gewissen Teilen des Landes herrscht Ausgangssperre. 

 

Unsere Lebensmittel haben wir schon vor ein paar Tagen rationiert. Es gibt nur noch Pasta und Konserven.

 

Für etwas Ablenkung sorgen die vielen Tiere auf der Anlage - Hunde, Gänse, Truthähne, Enten, Pferde, Ziege, Kuh und Lamas.

Der Ecuadorianische Präsident Lenín Moreno hat heute Sonntag im Gespräch mit den Führern der Indígenas das auch für uns unmögliche Dekret zurückgenommen (u. a. Verdoppelung der Treibstoffpreise, Halbierung der Ferien von Staatsangestellten von 4 auf 2 Wochen, 20% weniger Gehalt für Neuanstellungen im Staatsdienst).

 

Die sehr gut organisierten Indios feiern ihren Sieg und die Strassenblockaden werden aufgehoben. Zu den hohen Auslandschulden kommen nun auch noch die riesigen Blockade- und Demonstrations-Schäden dazu.