Der Sagenweg - im aargauischen Freiamt in der Schweiz - ist ein Spaziergang in die Vergangenheit, bei der man sich von der grenzenlosen Fantasie treiben lassen darf!
Der Tanzplatz von Zufikon
Bei Zufikon gab es am alten Spielweg einen Tanzplatz, von dem man erzählte, dass hier die lustigen Reussjungfern mit gänsefüssigen Waldmännchen vertrauliche «Stelldicheins» hielten und gerne miteinander tanzten. Auch Hexen seien zum nächtlichen Treffen auf dem Besenstiel hierher geritten.
Schwarze Grasringe auf dem Tanzplatz zeugten vom wilden Feuertanz der Jungfern mit dem gehörnten Bösen.
Heute ist aber alles verschwunden und niemand kann mehr sagen, wo einst der düstere Tanzplatz genau lag.
Der Teufel auf der Isenburg
Auf der Isenburg soll es einen schwarzen Teufel geben, der immer am Karfreitag seinen Gold-Schatz hervorholt und in der Frühlingssonne glänzen lässt.
Zwei mutige Männer wollten diesen Schatz stehlen. Doch auf dem Weg zur Burg versperrte ihnen eine riesige Kröte den Weg, die ihnen eine Flüssigkeit entgegenspritzte und die die Köpfe der Männer stark anschwellen liess. Die Männer rannten vor Schreck davon ohne auch nur in die Nähe des Schatzes gekommen zu sein.
Der rote Wyssenbacher
Auf dem Lindenberg lebte einst der rote Wyssenbacher, ein sehr reicher aber lüsterner Mann. Als Strafe für sein sündhaftes Leben wurde er mit einer schrecklichen Krankheit - dem Aussatz - belegt. Kein Arzt und kein Heilmittel konnten ihm helfen, und so wurde er von allen Menschen gemieden.
Ein böser Geist flüsterte ihm ein, er könne durch ein Bad im Blut von zwölf Jungfrauen geheilt werden. Eines Morgens entführte er elf Mädchen aus Boswil, die auf dem Weg nach Hitzkirch waren, und hängte sie an einer Eiche auf. Für das zwölfte Opfer entführte er die Tochter eines Müllers. Ihre Mutter spürte ihre Not und sandte den Bruder zu Hilfe. Er konnte seine Schwester retten und den roten Wyssenbacher töten.
Die elf Mädchen wurden bei der sogenannten Bluteiche begraben, aus der später eine heilende Quelle entsprang. Bis heute erzählt man sich, dass der Geist des roten Wyssenbachers über den Lindenberg reitet, wenn sich dort dunkle Wetterwolken sammeln.
Das Rüssegger-Licht an der Reuss
Elisabeth von Hünenberg, die mit Ulrich III. von Rüssegg verheiratet war, machte sich mit den Kindern auf ihren Vater auf seiner Burg zu besuchen.
Am Abend wollten sie mit der Fähre über die Reuss zurückkehren. Es wurde unerwartet früh Nacht und der Fährmann konnte im Dunkeln den Anlegeplatz auf der Rüssegger Seite nicht finden. Das Boot geriet in Not, die Wellen schlugen hoch, und in der Panik stürzten zwei Söhne ins Wasser und ertranken.
Um zukünftiges Unglück zu verhindern, stiftete Ulrich von Rüssegg eine grosse Laterne am Fährplatz - das sogenannte 'Rüssegger Licht'. Dieses Licht leuchtete fortan jeden Abend über die Reuss, warnte vor Gefahren und zeigte den rettenden Anlegeplatz an.
Als später eine Brücke gebaut wurde, kam das Licht in die Sinser Pfarrkirche, wo heute noch zwei 'ewige Lichter' im Gedenken an die gute Tat des Rüssegger Freiherrn brennen.
Der Zwerg von Muri
Eines Morgens bemerkten die Sennen des Habsburger Klosters in Muri, dass im Stall bereits alle Arbeiten erledigt waren: die Tiere gefüttert, der Stall sauber und die Kühe gemolken. Neugierig, wer ihnen diese Arbeit abnahm, hielten sie Wache und entdeckten ein kleines, ärmlich gekleidetes Männchen, das blitzschnell alle Arbeiten verrichtete und dann verschwand.
Als Dank für seine Hilfe liessen die Sennen beim Dorfschneider bunte, schöne Kleider für den Zwerg anfertigen und legten sie - zusammen mit einem Spiegel - in den Stall. Der Zwerg kam, zog die neuen Kleider an, betrachtete sich glücklich im Spiegel und rief: „Jetzt bin ich ein Herr, jetzt bin ich kein Senn, kein Knechtlein mehr.“ Danach verschwand er und wurde nie wieder gesehen.
Der Stiefeliryter
Der Verwalter des Klosters Muri trat immer dann in Erscheinung, wenn die umliegenden Gemeinden dem Kloster Frondienste leisten mussten. Er erschien stets in auffällig hohen Stiefeln und trieb die erschöpften Arbeiter mit der Peitsche an.
Er brachte ganze Dörfer um ihr Gemeindegut, indem er ihnen wichtige Besitzrechte wie Wälder oder Weiden abnahm. So verlor etwa die Gemeinde Merenschwand das Maiholz bei Muri, Müswangen die Waldung Schlatt, und auch die Stadt Bremgarten wurde von ihm betrogen. Als Advokat von Bremgarten betrog er wiederum die Gemeinde Wohlen um deren Wald. Die betroffenen Gemeinden verloren nicht nur ihr Eigentum, sondern mussten auch noch die Prozesskosten tragen, da die Urteile immer zugunsten des Klosters ausfielen.
Nach seinem Tod soll der Stiefelryter keine Ruhe gefunden haben und seitdem auf den unrechtmässig erworbenen Klostergütern als ruheloser Geist umgehen.
Die drei Angelsachsen
Drei fromme Pilger aus dem Land der Angelsachsen waren auf Wallfahrt und kamen ins Freiamt, wo sie freundlich aufgenommen wurden. Nach einem Hochzeitsfest setzten sie ihren Weg fort.
Drei jungen Männer - angelockt vom Goldgeschenk, das einer der Pilger der Braut gemacht hatte - überfielen die Angelsachsen im Wald, töteten sie und schlugen ihnen die Köpfe ab. Doch diese erhoben sich auf wundersame Weise, nahmen ihre abgeschlagenen Häupter, wuschen sie an einer Quelle und liefen weiter.
Die Quelle führt seitdem rötliches Wasser und soll heilende Kräfte besitzen. Die drei Angelsachsen wurden später in Sarmenstorf bestattet und gelten seither als Wetterheilige.
Der Kegler im Uezwiler Wald
Zwischen Uezwil und Kallern liegt ein schattiger Buchenwald mit einer länglichen Lichtung, auf der nie ein Grashalm wächst.
Man erzählte, dass hier vor urdenklichen Zeiten die lange Kegelbahn der früheren Waldwirtschaft gelegen habe.
Hier trafen sich die Kegler von Nah und Fern zu einem Spiel, dass oft auch im Streit mit tödlichem Ausgang endete.
Seither huschen um Mitternacht oft dunkle Schatten über den verödeten Platz. Wer genau hinhört, kann die rollenden Kugeln, die fallenden Kegel aber auch das Streiten und röcheln der uneinigen Spieler hören.
Hexenmusik im Maiengrün
Hin und wieder hörte man im Hägglinger Maiengrün und am Anglikerberg eine seltsame Musik erklingen und wer den geheimnisvollen Tönen nachging, verirrte sich und musste stundenlang im Wald umherwandern. Es sollen Hexen gewesen sein, die neugierige Wanderer auf Irrpfade lockten und sie mit ihrer Musik betörten. Besonders auf dem Anglikerberg, wo man von zwei alten Grabhügeln zu berichten weiss, sollen sich die einheimischen Hexen gern aufgehalten und im Birch lustig musiziert haben. Darum nannte das Volk diese seltsamen Töne auch Birchmusik.
Die Waltenschwiler Hexe
Die Hexe hütete das Geheimnis einer wundersamen Salbe. Strich man ein wenig davon an den Besenstiel, dann konnte man rittlings durch die Luft sausen.
Einst war die Hexe nicht zu Hause und ihr Ehemann wollte seinen alten Ackerwagen schmieren. In der Küche fand er die Salbe und schmierte damit die trockene Radachse. Kaum hatte er etwas Paste an das Rad gestrichen, erhob sich zu seinem Erstaunen der Ackerwagen in die Höhe und fuhr querfeldein.
Seine Ehefrau - die Hexe - sah den herrenlosen Wagen ohne Pferd daher sausen und sofort rief sie dem Gefährt das Zaubersprüchlein zu: «Tscho, Schnöri!» und der Wagen machte kehrt.
Nachbarn, die in der Nähe auf dem Felde arbeiteten, hatten das eigenartige Gefährt und den schrillen Hexenruf gehört und nannten seither das Gebiet «Tscho-Feld».
Brennende Männer
In den alten Freiämter Wirtsstuben schenkte man schäumenden Most und roten Elsässerwein aus, der drunten am Rhein geholt werden musste.
Auf diesen Fahrten begegneten die Freiämter Fuhrleute oftmals seltsamen Gestalten, die wie brennende Fackeln über den Führweg wandelten und um Hilfe baten.
Die Fuhrlaute stifteten eine heilige Messe für die armen Seelen. Die brennenden Männer schritten dann stundenlang der Weinfuhr voran und leuchteten den dunklen Nachtweg aus, damit die Fuhrleute sicher und gut über Weg und Steg kamen.